The same procedure as every year….lautet der running gag im Silvesterklassiker Dinner for One. Tausend Mal gesehen und immer wieder köstlich amüsiert. Weit weniger amüsant, wenngleich in ebenbürtiger Regelmäßigkeit dargeboten, ist das zu Beginn einer jeden Saison aufflammende Motorradbashing. Den Start in diesem Jahr macht der Landkreis Holzminden. Ab dem 01.04.2024 sollten unter der liebevollen Bezeichnung „Lärmpausen“ Motorradfahrer an verschiedenen Strecken im Wechselmodus ausgesperrt werden. So wollte es der Kreistagsbeschluss vom 26.01.2024, welcher in diesem Punkt einem entsprechenden Vorschlag der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) folgte. Zur Expertise der DUH in Sachen Motorrad später etwas mehr.
Zunächst hat das Niedersächsische Verkehrsministerium kurz vor dem geplanten Projektstart auf die Bremse getreten, da es noch Klärungsbedarf sieht. Beruhigend, dass offenbar doch nicht alle Landespolitiker blind dem Halali der DUH folgen. Über die Entstehungsgeschichte dieses „Pilotprojektes“ haben neben uns viele andere in der Sache aktive Verbände bereits umfassend berichtet, ebenso über den breiten Widerstand. Allein die Bezeichnung „Pilotprojekt“ sorgt für Nackenschauer, schließlich bildet in der TV-Branche der Pilotfilm meist den Auftakt einer Serie. Nun denn, die Weichen scheinen gestellt und es kann losgehen. Aber was eigentlich?
Diese Frage bewegte uns dazu, Frau Dorothe Saar und Herrn Patrick Pohle von der Deutschen Umwelthilfe e. V. zu einem Arbeitsfrühstück einzuladen. Frau Saar leitet das Ressort Verkehr und Luftreinhaltung und Herr Pohle fungiert als Referent Umwelttechnik in eben jenem Ressort. Zudem wurde er uns vom Niedersächsischen Umweltministerium als Ansprechpartner für das Projekt benannt. Im schnuckeligen Ambiente des Tomasa in der Villa Kreuzberg kam es am 13.03.24 nunmehr zu jenem Gedankenaustausch, den der Zuwendungsbescheid des Ministeriums bereits zur Bedingung für die Auszahlung der 100.000 € Fördergeld gemacht und schon im Jahr 2023 eingefordert hatte. Unglücklicherweise entschied sich die DUH abweichend von der Nebenbestimmung des Zuwendungsbescheides dazu, die Interessenvertreter der Motorradcommunity bei der Projektentwicklung außen vor zu lassen. Versehen, Versäumnis, Vorsatz? Wer weiß.
Die Erkenntnisse des Treffens sind schnell zusammengefasst. Es fehlt den Akteuren der DUH an dringend benötigter Sachkenntnis zu den Themen Motorrad und Verkehrslärm. Die Bedeutung eines eingetragenen Standgeräusches ist ebenso wenig bekannt, wie das Messverfahren zur Ermittlung eines Fahrgeräusches. Der schlicht nicht existente Zusammenhang zwischen eingetragenem Stand- und tatsächlichem Fahrgeräusch wird zum Fakt erklärt und beide Werte werden im Gespräch munter miteinander vermischt. 95 dB(A)…90 dB(A)….zumindest wissen wir jetzt, wie die DUH auf diese Zahlen kommt. Willkürlich und nach billigem Ermessen aufs Papier geschrieben. Die Leichtigkeit, mit der beide DUH-Akteure diese Antwort erteilen, lässt uns erneut frösteln. Was während des Pilotprojektes genau gemessen werden soll, wo das passieren soll und welche Geräte dazu verwendet werden sollen, wollen wir wissen. „Da müsste man den Kreis fragen“ (Herr Pohle). Ah ja…müsste man. Haben wir getan, die Antwort des Kreises steht aus. Ohne belastbare Erhebungen von Vergleichszahlen ist ein solches Pilotprojekt vor allem eins. Sinnlos.
Was uns zum Kernproblem des „Projektes“ bringt. Ein Maßnahmenplan, der ohne ausreichende Sach- und Fachkenntnis erstellt wurde, wird einem Kreistag vorgestellt, in dessen Reihen vermutlich ebenso viele Experten der Fahrzeugtechnik sitzen, wie im Kreise der Projektentwickler. Die Ergebnisse sind ein rechtlich wackeliger Beschluss und Verlierer auf fast allen Seiten. Zu den Verlierern zählen die von Verkehrslärm geplagten Anwohner, die auf eine nachhaltige Lösung gehofft hatten. Anwohner der Strecken, auf welche der Motorradverkehr ausweichen wird, wenn es zu den Sperrungen einzelner Strecken kommt, werden sich bedanken. Nicht zu vergessen der unbeteiligte Steuerzahler, der sowohl für die 100.000 € verschwendeten Steuergeldes aufkommt, als auch für die Kosten des bevorstehenden Rechtsstreits zur Ader gelassen wird. Von entstehenden Kosten für den Auf- und Abbau der Verkehrszeichen ganz zu schweigen. Kreistagsabgeordnete, die sich mit einer unhaltbaren Projektidee vor sich hertreiben und zu einem unnötigen Beschluss hinreißen ließen, verlieren ihr Gesicht spätestens dann, wenn der Beschluss kassiert wird. Verlierer sind selbstredend auch alle Biker, da sie sich erneut der kollektiven Bestrafung in Form einseitiger Sperrungen ausgesetzt sehen. Zudem dürfte sich das Frustpotenzial genervter Anwohner im Falle einer gerichtlichen Entscheidung pro Biker noch verstärken. Zum erweiterten Kreis der Verlierer zählt auch die lokale Polizei, deren ohnehin umfassendes Aufgabengebiet um die Kontrolle der Einhaltung angeordneter Sperrungen erweitert wird, was sich negativ auf die Bearbeitung wichtiger Aufgaben auswirken dürfte.
Immerhin einen Gewinner gibt es. Die Deutsche Umwelthilfe e. V. streicht im Sinne der Gemeinnützigkeit 100.000 € für ein „Projekt“ ein, dass keines ist und erteilt den Verlierern eine Lehrstunde in Sachen Umsatzrentabilität. Wenn zwei sich streiten…. Biker und Anwohner bekommen es nicht hin, miteinander zu reden und bestehende Probleme zu lösen. Ein gefundenes Fressen für einen cleveren Dritten, dem sich willfährige Lokal- und Landespolitiker als Erfüllungsgehilfe andienen. Zumindest in diesem Fall ging die Rechnung für die DUH auf. Frau Saar betonte uns gegenüber, man habe nicht vor, das ganze Land mit Pilotprojekten zu überziehen. Schauen wir mal, was „man“ vorhat, wenn sich der nächste Landkreis in der Hoffnung auf echte Hilfe an die Deutsche Umwelthilfe e. V. wendet.